Reisebericht - Mit Extratour in den Westen der Mongolei

„Was willst Du bloß in der Mongolei?“ fragte mich am Anfang des Jahres ein Freund. Der Unterton war unverkennbar.

Dorthin wollte ich schon lange.

Die Idee kam mir vor vielen Jahren bei den Landschaftsaufnahmen in den Filmen „Das weinende Kamel“ und die „Höhle des gelben Hundes“,  aber auch der sehnsuchtsvolle Blick unserer Wismarer, aus der Mongolei stammenden Freunde inspirierte mich wohl. Ich mag karge Landschaften, freute mich auf den weiten Blick und das Zusammensein mit meinen deutschen Freunden. Bedenken hatte ich wegen des Essens.

Mit deutlichem Schlafdefizit landeten wir  nach 10 Stunden Flugzeit und Zwischenlandung in Moskau am Morgen in Ulaanbaator und wurden von einer strahlenden Zaza, unserer Reiseleiterin, abgeholt. Wir, das sind die Mongolei erfahrenen Uta, Birgit, Johannes und ich als Neuling. Am Nachmittag lernten wir die großzügigen neuen Büroräume und 2 Kolleginnen ihres Unternehmens EXTRATOUR kennen. Um 18 Uhr beginnt eine Vorstellung mongolischer Volkskunst. Wir sitzen auf niedrigen Bänken, dank Birgits Weitsicht mit Rückenlehne. Musik und Tanz werden auf hohem künstlerischen Niveau präsentiert, dennoch nicke ich mehr als drei Mal ein, die anderen zum Glück auch. Es geht los mit einem Sologesang. Es treten noch mehr Sänger – Ober- und Untertongesang und eine weitere Frau auf, es spielen Pferdekopfgeigen in verschiedenen Größen, ein Krummbrett und ein Hackbrett sehr professionell und harmonisch zusammen. Die Tänzer steigern sich sehr im Tempo, alles bewegt sich gleichzeitig – wirklich alles. Super! Auf die Schlangenfrau warten schon die anderen. Sie kommt und kann Erstaunliches sowohl bezüglich ihrer Verbiegungen als auch seitens ihrer Kraft.

Am Abend gehen wir zum Mongolischen Barbecue. Wir stellen uns alles selbst zusammen – Gemüse, Fleisch, Gewürze und Dressing. Dann wird alles auf einer riesigen heißen Platte mit Showelementen gegrillt. Die Teller fliegen, das Brokkoliröschen erlebt eine kurze Karriere als Federball, die „Hosson“ fliegen durch die Luft und werden geschickt aufgefangen. Sie sehen ein bisschen wie nachempfundene Schwerter aus und die Vorstellung wie die eines Samurais. Tatsächlich werden sie zum Wenden des Grillgutes verwendet.

Am nächsten Tag fliegen wir in den Westen. Nasaa und Bagi empfangen uns in Ulgii am Flughafen. Von nun werden sie uns als Fahrer und Köchin begleiten. Sie empfangen uns mit einem Nudelsalat, das ist richtig nett. Hier ist es deutlich kälter und windiger, aber immerhin auch sonnig. Nach wenigen Metern verlassen wir die Teerstraße und fahren auf der sog. Waschbrettpiste. Gelegentlich wechseln wir auf die rechte oder linke Spur. Der Fahrer hofft auf weniger Waschbrett. Wie gut, dass es funktioniert, wenigstens mit der Hoffnung. Wir sehen die ersten Tierherden, halten am ersten Ovoo an überfahren beherzt eine Holzbrücke mit morbidem Charme. Nach ca. 80 Kilometern halten wir in einem Sum (Ort mittlerer Größe) an. Wir wohnen in einem Haus an und freuen uns, dass wir eine warme Nacht haben werden. Die Besitzer wohnen gleich nebenan und laden uns zum Tee ein. Der Tisch des Gastgebers ist reichlich gedeckt mit mongolischem Käse, Gebäck und Backpflaumen. Zum Anfang gibt es Milchtee. Dann beginnt die Vorstellungsrunde. Da die Familie auch russisch spricht, beginnt Birgit mit „Minja sawut ...“, ich mache es ihr nach. Das kommt gut an. Das Paar gehört zu den Tuwa, einer Bevölkerungsminderheit und hat lange in Russland gelebt. Der musikalische Teil beginnt mit einem Lied, dann singen die Gastgeber eines der Tuwa, später kommt ein mongolisches und alle (außer mir) singen eines der Vorjahre. Uta, Birgit und Johannes kannten dieses Singritual, deshalb nahmen wir ein paar Texte mit.

Der nächste Morgen beginnt so wie fast alle folgenden unserer 3 wöchigen Reise. Wir sitzen bei blauem Himmel und Sonne draußen zum gemütlichen Frühstück mit Nasaas selbstgemachtem Müsli, etwas Obst, Brot, Marmelade, Honig, Kaffee und Tee. In unserem Purgon – das perfekte Auto für diese Tour – fahren wir zu einer Adlerfamilie. Der Adlerjäger ist nicht da, seine Familie präsentiert den Raubvogel. Wir werden in das Haus eingeladen, Die Tochter der Familie näht sehr schöne Patchworkarbeiten mit ihrer Handradnähmaschine, von denen wir ein paar kaufen.

Als Neuling der Mongolei lerne ich den nächsten Straßentyp kennen, hügelig, steinreich und kurvig mit gelegentlichen Wasserdurchfahrten. Wir haben großen Respekt vor den Fahrkünsten von Bagi, der das Auto gekonnt steuert. Von einem Aussichtspunkt sehen wir den Potanin Gletscher und wandern zum nächsten Hügel. Die Natur ist atemberaubend. Sie verändert sich immer wieder im Licht und wir finden alles fotowürdig. Die Nomaden bringen uns zu einem Stein mit vielen Jahrtausende alten Malereien. Wir sehen in der Ferne Wildschafe, weil sie uns mit viel Geduld von den Nomaden gezeigt werden. Am Abend zelten wir am weißen Fluss. Das Wasser rauscht, im Zelt ist es sehr frisch. Wir sind satt nach den Kochkünsten von Nasaa, mit denen sie sowieso „schon viele glücklich gemacht hat“ (Zitat aus eMail-Verkehr zwischen Zaza und Johannes).

So steuern wir jeden Tag ein anderes Ziel an, sehen und erleben viele Seen, Berge, heilige Orte – der  Otgontenger Gletscherberg ist so heilig, dass an seinem Fuß nicht sein Name genannt werden darf – Nationalparks, einen Vulkankrater, eine heiße Quelle, riesige Sanddünen, aber auch Wälder.

Hier waren meine Erwartungen ohnehin hoch und sie wurden mehr als erfüllt.

Unterwegs machten wir gemeinsam eine Liste über alles, was für uns schön in der Mongolei ist. Uns fiel viel ein. Dieses zur Natur:

  • unendliche Weite
  • der blaue Himmel
  • der nächtliche Sternenhimmel
  • ihre Vielfalt (Sanddünen, Berge zum Teil mit Schnee bedeckt, Täler, Steinwüste, Steppe, Seen, Flüsse ...)
  • das wechselnde Licht
  • weiße Wolken, die in den Himmel gehängt zu sein scheinen
  • viele Fata Morganas
  • Adler, Weihen, Schafe, Ziegen, Kamele, Ziesel, Murmeltiere, Pferde ...
  • große Herden, die schön in der Landschaft stehen
  • man kann tolle Plätze/Orte allein erleben
  • herausfordernde off-Road-Pisten
  • urtümliche Tiere wir Kamele und Yaks

Schön sind auch die gastfreundlichen, offenen und zurückhaltenden Menschen. Wahrscheinlich gibt es bei den Nomaden viel Alltag und unsere kleine deutsch – mongolische Gruppe war sicherlich eine willkommene Abwechslung. Schnell wurden wir eingeladen, bewirtet und unsere neugierigen Blicke in den Jurten hingenommen, manchmal amüsiert begleitet. Ich hatte viele Fragen, die Zaza mit großer Geduld selbst beantwortete und auch sehr gut und gern dolmetschte. So konnten wir uns mit den Familien unterhalten. Wir lernten neue Rituale kennen.

Wie betrete ich eine Jurte? Wie übernehme ich den Tee? Wie funktioniert es mit der Schnupftabakdose? Was passiert, wenn man sich versehentlich mit den Füßen berührt? Wie trinkt man den Schnaps? Warum liegen die Silberschalen im See? Was passiert, wenn man Menschen begegnet, die gerade ihre Jurte aufbauen möchten? Zaza: „Es gibt ein altes Ritual, beim Aufbau zu helfen, bzw. mindestens die Hilfe anzubieten, wenn man so etwas sieht.“ Wir sehen, halten, bieten an und sind beim Aufbau dabei. Zunächst werden die Scherengitter gestellt und verbunden, die Tür eingestellt, ein breites Band gespannt. Die beiden mittleren Ständer werden mit dem Deckenkranz verbunden und aufgerichtet. Johannes erhält die wichtige Aufgabe, diese beiden Stangen zu halten. Das eröffnet ihm die Möglichkeit, im Allerheiligsten zu stehen. Hier wird später der Ofen stehen. Der noch freie Platz darf später auf keinen Fall durchschritten werden. Es wäre ein großer Fehler. Johannes kostet seine Position aus.Wir erlebten Menschen, die uns mit großer Begeisterung und Stolz ihr Land zeigten, die uns zeitweise spontan und viel Zeit begleiteten, um uns auf den Weg zu bringen und gern kleine Geschenke annahmen. Zaza verwaltete diese und bekam die Übergabe immer sehr gut und selbstverständlich hin.

Der Kontakt mit den Nomaden gehört zweifelsohne zu den großen Höhepunkten unserer Reise. Bagi eröffnete zumeist das Gespräch, dann kam Zaza dazu. Bald wussten wir, wo unsere Zelte stehen sollen. Am Abend besuchten uns die Nomadenfamilien sehr gern. Folgender Ablauf: das Abendessen klingt aus, wir bekommen Besuch. Zunächst zwei Männer von den Jurten. Nasaa wärmt schnell das Essen, als auch die große Familie da ist. Sie alle greifen zu, essen mit Appetit. Auch das kleine Kind (ca. 3 Jahre) der jungen Familie haut richtig rein.

Bald sitzen wir alle zusammen am Feuer. Es gibt Bier, Sprite und Cola und bald viele Lieder. Die Singerei nimmt Fahrt auf, alle werden mutiger. Es wird genau beobachtet, wer nicht mitsingt. Folge: Uta, Uta ... und Uta singt „Hejo, spann den Wagen an“ auf Englisch. Dann verabschieden sie sich. Sie stehen auf und gehen. Schwuppdiwupp, so war es bis jetzt immer und scheint völlig okay zu sein.

So vergehen unsere drei Urlaubswochen mit vielen für mich ungewöhnlichen Eindrücken. Der Name EXTRATOUR trifft den Charakter der Reise.

Wir hatten eine tolle Reisebegleitung. Unser Fahrer Bagi fand in jeglicher Hinsicht immer einen Weg, Nasaa war unsere beste und ideenreichste Köchin der Mongolei und Zaza eine Superorganisatorin. Beeindruckend der respektvolle Umgang untereinander. Sie öffneten uns viele Türen und Orte beim Kennenlernen des Landes. Wir hatten richtig viel Spaß miteinander und es gab keine, wirklich keine Zeit in diesen drei Wochen, in der die Nähe zueinander anstrengend wurde. Wie sagte es Bagi kurz vor unserer Abreise? „Am Anfang der Reise hatte ich vier Touristen im Auto, das ist jetzt anders.“ Das sehe ich auch so. Gut, dass diese Vertrautheit gewachsen ist.

Was sage ich meinem Freund? Ich möchte da wieder hin, jetzt noch viel mehr.

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